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Berliner Testament – was Sie wissen sollten!

Für viele Eheleute wird das „Berliner Testament“ als bestmögliche Lösung dargestellt. Lesen Sie, was Sie dennoch beachten sollten!
Immer häufiger stelle ich in meiner erbrechtlichen Beratungspraxis fest, dass von den rechtsberatenden Berufen, sei es von Rechtsanwälten, sei es von Notaren, sei es aber auch von Steuerberatern, vermögenden Eheleuten das sog. „Berliner Testament“ als Problemlösung angedient wird, mit dem der überlebende Ehegatte zunächst zum alleinigen Erben und die ehegemeinsamen Kinder sodann zu Schlusserben eingesetzt.
Dabei wird nicht bedacht, dass es sich teilweise um äußerst steuerschädliche Regelungen handeln kann, die sogar haftungsrechtliche Konsequenzen für die Berater haben können. Nachfolgend stelle ich Ihnen ein für solche Fälle geeignetes Gestaltungsmittel als Steuerersparnismodell - man glaubt es kaum - bei Ausschlagung der testamentarischen Erbfolge vor:

1. Zivilrechtliche Grundlagen:

Beim Tod eines im gesetzlichen Güterstand lebenden Ehegatten endet die Zugewinngemeinschaft. Das BGB hält für den nach dem System des gesetzlichen
Güterstandes durchzuführenden Ausgleich des während der Ehe erwirtschafteten Zugewinns zwei - an unterschiedliche Voraussetzungen geknüpfte - Lösungswege bereit:

a) Ist der überlebende Ehegatten (Mit-)Erbe oder Vermächtnisnehmer seines verstorbenen Partners, erfolgt der Ausgleich des Zugewinns pauschal durch Gewährung eines 1/4 Erbteils zugunsten des überlebenden Ehegatten (§ 1371 Abs. 1 BGB). Der Zugewinnausgleich erfolgt mit erbrechtlichen Mitteln (erbrechtliche Lösung).

b) Wird der überlebende Ehegatte kein Erbe oder Vermächtnisnehmer, kann er neben dem
(sog. kleinen) Pflichtteil nach § 2303 Abs. 2 BGB den Ausgleich des Zugewinns nach den Vorschriften der §§ 1373 - 1383 BGB verlangen (vgl. § 1371 Abs. 2 BGB). In diesem Fall findet ein nicht durch § 5 Abs. 1 ErbStG eingeschränkter, an den güterrechtlichen Vorschriften und ggf. an vom gesetzlichen Ausgleichsmodell abweichenden güterrechtlichen Vereinbarungen orientierter Zugewinnausgleich zwischen den überlebenden Ehegatten und den Erben statt (güterrechtliche Lösung).

2. Erbschaftsteuerrechtliche Folgen:

Das Erbschaftsteuerrecht folgt zunächst der erbrechtlichen Lösung des BGB durch Erhöhung des Erbteils um 1/4 nicht. Vielmehr bestimmt § 5 Abs. 1 S. 1 ErbStG in diesen Fällen, dass beim überlebenden Ehegatten (nur) der Betrag nicht als Erwerb gilt, den er bei rechnerischer Ermittlung des Zugewinns nach § 1371 Abs. 2 BGB geltend machen könnte. Erforderlich ist demnach eine Berechnung der fiktiven, zivilrechtlich nicht existenten Zugewinnausgleichsforderung auf den Todestag des verstorbenen Ehegatten. Die fiktive Ausgleichsforderung ist für die tatsächliche Dauer der Zugewinngemeinschaft nach den Bestimmungen der §§ 1373 - 1383 und § 1390 BGB zu ermitteln; von dem gesetzlichen Ausgleichsmodell abweichende ehevertragliche Vereinbarungen bleiben unberücksichtigt. So gilt u.a. die Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB bezüglich des Anfangsvermögens (im Zweifel: null) nicht; es kommt zur Indexierung des Anfangsvermögens, weil zivilrechtlich der durch den Kaufkraftschwund eintretende „scheinbare Zugewinn" nicht auszugleichen ist.

Bei der güterrechtlichen Regelung kommt es nicht zum pauschalierten Ausgleich des Zugewinns durch Erhöhung des Erbteils, sondern es steht dem überlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. 2 BGB ein Anspruch auf rechnerischen Zugewinnausgleich zu. Hierbei sind ggf. ehevertragliche Vereinbarungen der Ehegatten - auch soweit sie vom gesetzlichen Ausgleichsmodell abweichen - zu berücksichtigen. Nach § 5 Abs. 2 ErbStG gehört der Anspruch auf Ausgleich des Zugewinns nicht zum Erwerb í.S.v. § 3 ErbStG.
Ist der überlebende Ehegatte als Erbe oder Vermächtnisnehmer nach seinem vorverstorbenen Ehegatten eingesetzt worden und schlägt die Erbschaft bzw. ein Vermächtnis aus, so erlangt er zivil- und erbschaftsteuerrechtlich dieselbe Stellung wie der auf den Pflichtteil gesetzte Ehegatte (§ 1371 Abs. 3 BGB; § 5 Abs. 2 ErbStG).

Beispiel (erbrechtliche Lösung):
Die Eheleute A und B sind seit 1958 verheiratet. A stirbt am 31.07.2012. Die Eheleute lebten im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft (indiziertes Anfangsvermögen des A am 01.07.1958: umgerechnet 6 Mio. Euro; indiziertes Anfangsvermögen der B am 01.07.1958: 20.000,00 Euro). A hat am 31.07.2012 ein Endvermögen von 20 Mio. Euro, B ein solches von 500.000,00 Euro. Aus der Ehe sind 2 Kinder hervorgegangen. Es tritt gesetzliche Erbfolge ein.

Nach § 1371 Abs. 1 BGB erhöht sich der gesetzliche Erbteil der B (§ 1931 Abs. 1 BGB) um M1 auf 1/2. B erbt daher nach Verkehrswerten einen Anteil am Nachlass des A von 10Mio. Euro. von diesem Betrag kann B den fiktiven Zugewinnausgleichsanspruch abziehen, nämlich 6.760.000,00 Euro (= Zugewinn A 14 Mio. Euro ./. Zugewinn B 480.000,00 Euro = 13.520.000,00 Euro; hiervon 1/2). Der steuerpflichtige Erwerb beträgt nach Abzug des persönlichen Freibetrages 2.740.000,00 Euro. Bei einem Steuersatz von 19 % ergibt sich eine Steuerbelastung von 520.600,00 Euro bei einem Brutto-Erwerb von 10 Mio. Euro.

Alternative: Erbausschlagung:

Wie der Grundfall. Nur schlägt hier B ihr Erbe aus und beruft sich auf die tatsächliche Vermutung des § 1377 Abs. 3 BGB, da die Eheleute ein Verzeichnis über ihr jeweiliges Anfangsvermögen nicht aufgestellt haben. Die Erben (Kinder) können die Vermutung nicht entkräften.

B steht erbrechtlich nur noch der kleine Pflichtteil zu. Daneben hat B einen Zugewinnausgleichsanspruch i.H.v. 9.750.000,00 6. Nach § 1377 Abs. 3 BGB wird nämlich zugunsten der B vermutet, dass das Endvermögen des A dessen Zugewinn darstellt. Ihr Pflichtteilsanspruch beträgt (20 Mio. Euro ./. 9.750.000,00 Euro = 10.250.000,00 Euro x 1/8 = 1.281.250,00 Euro). Sie erhält demnach insgesamt 11.031.250,00 Euro. Der Steuer unterliegt aber nur der Pflichtteilserwerb; die Steuer hierfür beträgt unter Berücksichtigung des persönlichen Freibetrages 117.187.00 Euro. Rechnerisch ergibt sich damit durch die Erbausschlagung eine deutlich niedrigere steuerliche Belastung (rd. -400.000,00 Euro) bei einem um rd. 1,03 Mio. Euro höherem Erwerb.

Ein weiterer Vorteil der Erbausschlagung liegt darin, dass der überlebende Ehegatte nicht gezwungen ist, den (vollen) Pflichtteil zu verlangen; er kann durch die Geltendmachung eines niedrigeren Pflichtteils seine eigene erbschaftsteuerliche Belastung so wie die seiner Miterben (Kinder) steuern. Nach allem kann sich die Ausschlagung der Erbschaft des überlebenden Ehegatten bei entsprechender Vermögenssituation durchaus als ein probates estaltungsmittel zur Reduzierung von Erbschaftsteuer anbieten.

In diesem Kontext sei der Hinweis erlaubt, dass früher immer wieder propagierte Eheverträge, die eine Gütertrennung zum Inhalt hatten, sich heute vielfach als Gestaltungsfehler mit erheblichen finanziellen nachteiligen Folgen herausstellen. Die Empfehlung, Gütertrennung zu vereinbaren, wurde häufig von nicht kompetenten Rechtsberatern ausgesprochen mit dem Hinweis auf eine anderenfalls mögliche Haftungdes Ehepartners für Schulden des anderen. Dabei wurde allerdings völlig verkannt, dass ¬ mit wenigen einschränkenden Ausnahmen - nach unserem Rechtsverständnis und der gesicherten Rechtslage grundsätzlich niemand für Fremdschulden haftet, sondern nur für eigene Verbindlichkeiten. Soweit demnach ein Ehepartner nicht Darlehensverträge des anderen mitunterzeichnet, haftet er auch nicht gegenüber dessen Gläubigern. Dies gilt selbst dann, wenn ein Ehegatte den Darlehensvertrag unterschreibt, er aber finanziell nie zur Rückzahlung in der Lage gewesen wäre. Auf den von mir erwirkten Beschluss des Großen Senates des Bundesgerichtshofs vom 29.06.1999 (s. unter der Rubrik „Urteile") wird verwiesen.

Hinzu kommt:
Im Falle der Gütertrennung gehen die steuerlichen Vorteile, die § 5 ErbStG im Hinblick auf die Steuerfreiheit des Zugewinns bietet, vollständig verloren. Deshalb sollten bestehende Gütertrennungsverträge schnellstens aufgehoben und durch modifizierte Eheverträge ersetzt werden, die bestimmen, dass Gütertrennung nur im Falle der Scheidung vereinbart sein soll, im Übrigen aber, d.h. u.a. im Falle des Ablebens, der steuerlich günstigere Güterstand der Zugewinngemeinschaft.



Eingestellt am 22.01.2016 von R. Schauwienold
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