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Schnittstellen des Erbrechts und des Familienrechts - oder: Fußangeln bei Scheidungsverfahren -

Schnittstellen des Erbrechts und des Familienrechts - oder: Fußangeln bei Scheidungsverfahren -

Zwei kürzlich veröffentlichte Urteile des Kammergerichts in Berlin und des Bundesgerichtshofs in Karlsruhe haben die mit Erb- und Familienrecht befassten Spezialisten aufhorchen lassen. Beiden Entscheidungen ist gemeinsam, dass die mit den späteren Erblassern verheirateten Ehefrauen leer ausgingen, einmal aufgrund eines vor der Heirat errichteten Testaments (Fall Kammergericht), das andere Mal im Rahmen einer Lebensversicherung (Fall Bundesgerichtshof).Gern können Sie uns auch vorab Ihr Anliegen per E-Mail schildern. Oder vereinbaren Sie einfach telefonisch einen Besprechungstermin. Tel.: 02302/580820.

Fall Kammergericht Berlin:
Der spätere Erblasser, Ehemann und Vater, hatte vor der Heirat ein Testament errichtet, in dem er seine Tochter zur Alleinerbin eingesetzt hatte. Dieses Testament hatte die Ehefrau nach dem Tod des Ehemannes mit der Begründung angefochten, dass sie darin als spätere Ehefrau zu Unrecht übergangen worden sei. Dem hielt das Gericht entgegen, dass der Ehemann in Kenntnis der Umstände, nämlich der Stellung seiner Ehefrau als gesetzlicher Miterbin neben seiner Tochter, gleichwohl nach der Heirat kein neues Testament abgefasst habe.

Des Weiteren habe der Erblasser zu seinen Lebzeiten von seiner Schwester deren Miteigentumsanteil an einem Grundstück gekauft und schriftlich Gedanken zur Zukunft der Immobilie niedergelegt, die nach seinem Ableben allein die Tochter betrafen. Aus dem Umstand, dass der Erblasser seine Ehefrau nicht in diese Überlegungen einbezogen habe, zog das Gericht den Schluss, dass er sie auch nicht in den Kreis seiner nächsten Familienangehörigen einordnete. Hätte der Erblasser nämlich seine Ehefrau zur Miterbin einsetzen wollen, wäre den Umständen nach zu erwarten gewesen, dass er in diesem Fall mit ihr auch Absprachen hinsichtlich des Immobilienvermögens getroffen hätte.

Ein Anfechtungsrecht der Ehefrau verneinte das Gericht sodann auch unter dem Aspekt, dass der Erblasser auch bei Kenntnis der Sachlage die testamentarische Verfügung zu Gunsten seiner Tochter getroffen haben würde. Dementsprechend verblieb es bei der Erbeinsetzung der Tochter (AZ.: 6 W 54/15 KG Berlin). Der Ehefrau blieb nichts anderes übrig, als gegenüber der aus einer anderen Verbindung stammenden Tochter Pflichtteilsansprüche geltend zu machen.

Fall Bundesgerichtshof:
Die Witwe verlangte aus einer von ihrem verstorbenen Ehemann bei der B-Versicherung gehaltenen Lebensversicherung die Auszahlung der Versicherungsleistungen an sich. Der Erblasser war in erster Ehe verheiratet; diese Ehe war rechtskräftig geschieden worden. Der Arbeitgeber des Ehemannes schloss im Jahr 1987 eine Lebensversicherung im Rahmen der betrieblichen Alters- und Hinterbliebenenversorgung auf das Leben des Ehemannes als versicherte Person ab. Mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses im Jahr 1997 übertrug der Arbeitgeber die Lebensversicherung auf den späteren Erblasser als neuen Versicherungsnehmer. Die B-Versicherung übersandte letzterem einen Vordruck zu einer Begünstigungserklärung. Dabei kreuzte der Ehemann die Variante: „Der verwitwete Ehegatte“ an. 2002 wurde die erste Ehe geschieden. Nach seiner Wiederheirat blieb der Erblasser bis zu seinem Tode verheiratet. Die B-Versicherung zahlte die Versicherungssumme an die erste Ehefrau aus; die Klage der zweiten Ehefrau, die die Auszahlung der Versicherungssumme an sich verlangt hatte, wurde letztinstanzlich abgewiesen (BGH v. 22.07.2015 – IV ZR 437/14), und zwar mit folgender Begründung:

Wen der Versicherungsnehmer (= Erblasser) mit der Formulierung „Der verwitwete Ehegatte“ gemeint habe, sei letztlich durch Auslegung zu ermitteln. Der Wortlaut „Ehegatte“ biete keinen Anhalt dafür anzunehmen, dass ein Versicherungsnehmer allgemein nur diejenige Person begünstigen wolle, mit der er zum Zeitpunkt seines Todes verheiratet gewesen sei. Im Gegenteil: Nach BGH verbinde ein Versicherungsnehmer mit dem Wort „Ehegatte“ regelmäßig nur die Vorstellung, dass derjenige Partner gemeint sei, mit dem der Versicherungsnehmer zum Zeitpunkt der Erklärung verheiratet sei.

Es komme allein auf das Verständnis des Ehemannes zum Zeitpunkt der Abgabe der Erklärung an; zu diesem Zeitpunkt sei nur die erste Ehefrau vorhanden gewesen.

Die von dem Erblasser in der Begünstigungserklärung vorgenommene Einsetzung seiner ersten Ehefrau als Bezugsberechtigte sei – so der BGH – auch nicht nachträglich infolge Scheidung der Ehe wieder entfallen. Denn bei der Verwendung des Begriffs „Ehegatte“ ist nach der Lebenserfahrung regelmäßig nicht anzunehmen, dass das Bezugsrecht nur für den Fall eingeräumt sein soll, dass die Ehe zum Zeitpunkt des Versicherungsfalls noch besteht.

Dementsprechend wurde die Klage der zweiten Ehefrau auf Auszahlung der Versicherungssumme kostenpflichtig zurückgewiesen.

Fazit:
Gerade im Rahmen von Scheidungsverfahren gilt es für die spezialisierte Anwaltschaft, sich nicht nur der Voraussetzungen für das Verfahren selbst anzunehmen (z.B. einjährige Trennung etc.) bzw. der Scheidungsfolgen (Unterhalt u.a.), sondern sich auch mit den Schnittstellen des Erbrechts zu befassen, weil das Erbrecht auf verwandtschaftlichen Beziehungen basiert, die mit der Scheidung enden und spätestens dann der abschließenden Regelung bedürfen.Gern können Sie uns auch vorab Ihr Anliegen per E-Mail schildern. Oder vereinbaren Sie einfach telefonisch einen Besprechungstermin. Tel.: 02302/580820.



Eingestellt am 11.08.2017 von R. Schauwienold
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