email tel

Keine Chance für den neuen Partner?

Zur Absicherung des zweiten Ehegatten bei erbrechtlicher Bindung

erschienen in: StadtMagazin Witten, 118. Ausgabe, Dezember 2018/Januar 2019, S. 34 f.

Geht ein Partner eine 2. Ehe ein, gibt es viele rechtliche Probleme, die es zu bedenken gibt.

1.

Wurde die 1. Ehe nicht durch Tod aufgelöst, sondern durch eine Scheidung sind die im gemeinschaftlichen Testament oder Erbvertrag enthaltenen Verfügungen in der Regel unwirksam geworden (§ 2077 BGB). Dies ist aber nicht zwingend. Gerade bei Verfügungen zugunsten der gemeinsamen Abkömmlinge können diese ggfs. auch nach der Scheidung fortbestehen. Daher ist es als vorsorgender Berater immer ratsam, in die Testamente eine sog. „Eheauflösungsklausel“ mit aufzunehmen.

Errichtet der geschiedene Ehegatte ein Testament, mit dem er seine 2. Ehefrau zur Erbin einsetzt, obwohl das gemeinsame Testament mit seiner 1. Ehefrau noch wirksam ist, ist das neue Testament schlicht unwirksam (§ 2271 Abs. 1 S. 2 BGB).

Daher stellt sich hier die Frage, auf welche Art und Weise die erbrechtliche Bindung des ersten Testamentes beseitigt werden kann.

Selbstverständlich können die früheren Eheleute ihr erbrechtlich bindendes Testament jederzeit einvernehmlich aufheben. Allerdings wird der durch das Testament begünstigte Partner aus der 1. Ehe kaum geneigt sein, im Falle der Scheidung an einer solchen Lösung mitzuwirken.

2.

Also bleibt in den meisten Fällen nur die Möglichkeit übrig, sich einseitig von dem ehemals gemeinsam mit dem 1. Partner errichteten Testament zu lösen. Bei einem gemeinschaftlichen Testament ist der Widerruf desselben nur zu Lebzeiten des anderen Ehegatten möglich. Ist der andere Ehegatte bereits verstorben, ist der Widerruf einer wechselbezüglichen Verfügung nicht mehr möglich.

Der Widerruf selbst hat dabei in notarieller Form zu erfolgen. Dem anderen (früheren) Partner ist eine Ausfertigung der Widerrufserklärung zuzustellen.

3.

Als „einseitiges Lösungsmittel“ von einem derartigen gemeinschaftlichen Testament bietet sich aber auch die „Anfechtung wegen Übergehung eines Pflichtteilsberechtigten“ an (§ 2079 BGB). Mit der Heirat des 2. Ehepartners ist eine pflichtteilsberechtigte Person hinzugetreten. Da diese in dem Testament mit dem 1. Ehepartner übergangen wurde, ist der 2. Ehepartner nunmehr berechtigt, jenes Testament anzufechten. Dabei steht dieses Anfechtungsrecht auch dem Ehegatten zu, der die 2. Ehe eingegangen ist (sog. „Selbstanfechtung des Erblassers“).

Aber Vorsicht: die Selbstanfechtung hat viele Fallstricke.

Zunächst muss der Erblasser Form und Frist wahren. Die Anfechtungserklärung bedarf ebenfalls der notariellen Beurkundung und hat gegenüber dem Nachlassgericht zu erfolgen. Die Anfechtungsfrist beträgt ein Jahr. Die Frist beginnt regelmäßig mit der Wiederverheiratung.

Zu bedenken sind in jedem Falle die Rechtsfolgen der Anfechtung. Nach überwiegender Meinung führt die Anfechtung zur Nichtigkeit des gesamten Testaments. Damit gewinnt der Ehegatte, der seine 1. Ehefrau zur Erbin eingesetzt hat, zwar seine Testierfähigkeit bezüglich seines eigenen Nachlasses zurück, verliert aber gleichzeitig seine Erbenstellung nach dem erstversterbenden Ehegatten, weil insoweit rückwirkend auf diesen Erbfall gesetzliche Erbfolge eintritt.

Immerhin kann der überlebende Ehegatte durch die wirksam erklärte Selbstanfechtung aber zumindest über seinen eigenen Nachlass wieder frei verfügen.

Geradezu verheerende Auswirkungen kann die Anfechtung eines gemeinsam errichteten Testamentes aber haben, wenn dadurch z.B. eine frühere Verfügung des erstverstorbenen Ehegatten „aufleben“ sollte oder eine Ersatzberufung zum Zuge kommt (Beispiel: Der erstverstorbene Ehepartner hatte in einem früheren privatschriftlichen Testament eine gemeinnützige Stiftung zum Alleinerben eingesetzt). In diesem Fall verbliebe dem anfechtenden Ehegatten noch nicht einmal sein gesetzlicher Erbteil. Vielmehr wäre er dann auf den Pflichtteil nebst einem etwaigen Zugewinnausgleichanspruch angewiesen (§ 1371 Abs. 2 BGB).

Über diese weitreichenden Folgen muss sich jeder im Klaren sein, der eine solche Selbstanfechtungserklärung abzugeben beabsichtigt.

4.

Alternativ bietet sich eine Absicherung des 2. Ehegatten durch eine lebzeitige Vermögensübertragung an. § 2286 BGB bestimmt ausdrücklich, dass auch der erbrechtlich gebundene Erblasser durchaus berechtigt ist, über sein Vermögen Rechtsgeschäfte unter Lebenden vorzunehmen. Allerdings findet die lebzeitige Verfügungsfreiheit ihre Grenze dort, wo der 1. Ehegatte infolge einer Schenkung beeinträchtigt wird (§ 2287 BGB). Werden demnach Immobilien schenkungsweise auf den 2. Ehepartner übertragen, kann der 1. Ehepartner, wenn der Erbfall eingetreten ist, von dem 2. Ehepartner die Herausgabe der lebzeitig übertragenen Immobilie verlangen. Dieser Anspruch ist allerdings nur bei „Schenkungen“ gegeben, also bei überwiegend unentgeltlich vorgenommenen Übertragungen von dem Erblasser auf seinen 2. Ehepartner. Insoweit liegt es an dem versierten Berater, unentgeltliche Zuwendungen zu vermeiden und auf entgeltliche Gestaltungsmittel zurückzugreifen.

Außerdem könnte auf ein „anerkennungswertes lebzeitiges Eigeninteresse“ des verfügenden Ehegatten zurückgegriffen werden, das z.B. dann vorliegt, wenn die Schenkung der Sicherung und Verbesserung der eigenen Altersversorgung des Erblassers dient, was nach der Rechtsprechung dann der Fall ist, wenn der Erblasser beabsichtigt, sich die Betreuung und Pflege durch eine wesentlich jüngere Ehefrau zu sichern. Bei einem „lebzeitigen Eigeninteresse“ besteht danach kein Rückforderungsrecht des 1. Ehegatten.

5.

Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung scheidet eine Beeinträchtigung des als Erben eingesetzten 1. Ehegatten auch dann aus, wenn die Schenkung an einen Pflichtteilsberechtigten erfolgt und zur Deckung des Pflichtteils geeignet ist, Diese Möglichkeit des Schutzes des 2. Ehegatten ist allerdings nicht allen Rechtsberatern bekannt.

6.

Als Fazit kann festgehalten werden:

Eine Standardlösung für den Fall der Wiederverheiratung gibt es nicht, aber durchaus Lösungsansätze. Häufig wird sich aber empfehlen, lebzeitige Vermögenstransfers vorzunehmen, da der 1. Ehegatte nur vor solchen Schenkungen geschützt ist, die in Beeinträchtigungsabsicht vorgenommen werden. Letztere kann man häufig durch geschickte Vertragsgestaltung ausschließen.

Damit gilt: auch das zweite Glück hat eine Chance!


Kanzlei
Schauwienold
Rechtsanwalt Schauwienold
Reinhard Schauwienold
Beethovenstr. 15
58452 Witten
Telefon: +49 2302 - 580 820
Telefax: +49 2302 - 580 8222
Öffnungszeiten
Montag - Freitag:
08:30 - 13:00 Uhr
15:00 - 17:30 Uhr
Mittwoch:
08:30 - 13:00 Uhr

Mandantenbewertungen:

News / Aktuelles
Beeinträchtigende Schenkungen im Erbrecht – ein hohes Haftungsrisiko
Von „beeinträchtigenden Schenkungen“ im Erbrecht spricht man, wenn ein Erblasser, der durch Erbvert...
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche:
Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche unterscheiden sich u.a. dadurch, dass: - beim Pf...
Alles rund um das Pflichtteilsrecht!
Weit über die Hälfte aller bei den Gerichten anhängigen erbrechtlichen Streitigkeiten sind Verfahre...